Aus "Die Luisenstadt - Geschichte und Geschichten über einen alten Berliner Stadtteil"
Erschienen erstmals 1995, Reprint 2017
Original-Text, alte Rechtschreibung:
In der Mitte der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts erlaubte die Lage auf dem Wohnungsmarkt den Hausbesitzern und Vermietern in Berlin, unverschämte Mietkontrakte zu verlangen. Unverhüllt wurden Anlässe für Exmittierung vor Ablauf des Mietverhältnisses geschaffen, um dafür willfähigere und zahlungskräftigere Mieter einziehen zu lassen.
Der intime Kenner der lokalen Verhältnisse Friedrich Saß konstatierte 1846: "Die abscheulichste, die offenbarste Brutalität des Egoismus steckt sich hinter die Form des Rechts und zwingt der durch die Not getriebenen und unvorsichtig gemachten Armut die Anerkennung der niederträchtigsten Willkür auf."
Mit der neuen Phase der industriellen Revolution in den fünfziger Jahren war ein explosionsartiges Anwachsen der Bevölkerung in Berlin verbunden. Die bereits in den vierziger Jahren fühlbare Wohnungsnot vergrößerte sich zusehends. Sie wurde von den Hausbesitzern kräftig ausgenutzt. Die Mieter sollten zu rechtlosen Abhängigen gemacht werden, so daß man in den sechziger Jahren direkt von einem "Wohnungsfeudalismus" zu sprechen begann.